Beflügelt von Andreas Erfurth | Schauspieler, Theaterregisseur | Neues Globe Theater | Potsdam
© Gerrit Wittenberg | Neues Globe Theater  

Beflügelt von Andreas Erfurth | Schauspieler, Theaterregisseur | Neues Globe Theater | Potsdam

Tolle Leute |

Andreas Erfurth in 'Die Räuber'; © Gerrit Wittenberg | Neues Globe Theater

Wir fragten unsere Follower von welcher Brandenburger Persönlichkeit sie sich im Rahmen eines unserer Interviews beflügeln lassen wollen. Steffi Ribbe vom Atelier Farbknall schrieb daraufhin: „Andreas Erfurth vom Neuen Globe Theater. Ich nominiere ihn, weil ich weiß, dass dieser Schnitzeltester im Land Brandenburg nicht ungesehen davonkommen darf.“ Wir sind ihrem Wunsch nachgekommen und haben den Schauspieler, Theaterregisseur und Mitgründer des Neuen Globe Theaters in Potsdam besucht.

Stelle Dich bitte kurz vor. Wer bist Du und wie bist Du zum Theater und nach Potsdam gekommen?

Ich bin Andreas Erfurth. Ich bin in Bremen geboren, aber bereits mit sieben Jahren mit meinen Eltern nach Bochum gezogen. Dort bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nach dem Abitur habe ich Zivildienst in der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung geleitstet. Während dieser Zeit merkte ich schnell, dass mir das Theaterspielen fehlte. Ich bin einfach ein Theaterkind: mein Vater war Schauspieler, meine Mutter Tänzerin. Bereits im Alter von zwölf Jahren habe ich mein erstes Theaterstück geschrieben, einen kleinen Krimi, und mit Mitschülern eine Theatergruppe gegründet. Also bewarb ich mich für ein Schauspielstudium und bereits beim ersten Vorsprechen klappte es. Ich wurde an der Hochschule der Künste angenommen und zog kurzerhand nach Berlin.

Mein Diplom machte ich 1991. Aber bereits ein Jahr zuvor trat das Theater der Freundschaft, dem heutigen Theater an der Parkaue – Junges Staatstheater Berlin, an mich heran. Sie suchten einen jungen Schauspieler und mein Dekan empfahl mich. Die Mauer war zwar gefallen, aber die DDR existierte noch. Und so hatte ich als Wessi meinen ersten Arbeitsvertrag – und das ist bis heute etwas Besonderes für mich – in der DDR. Danach hatte ich das Privileg weitere Stückverträge zu erhalten, auch in West-Berlin, und von da an pendelte ich zwischen zwei Himmelsrichtungen. Das Zusammenwachsen oder auch Nicht-Zusammenwachsen von Ost-West habe ich dadurch intensiv erlebt. Das war eine aufregende Zeit.

1999 erhielt ich eine Anfrage für ein Vorsprechen im Hans-Otto-Theater in Potsdam. Es wurde ein Ensemble für ein eigenes Kinder- und Jugendtheater aufgebaut. Ich wurde genommen und war dann zwei Jahre fest in Potsdam engagiert. Doch dann wollte ich etwas anderes machen. Ich habe mich mit meinem besten Freund zusammengetan und wir produzierten unser erstes eigenes Stück. Finanziert durch eine Erbschaft in Höhe von 10.000 (damals) DM, die er kurz zuvor machte. Er lieh mir die Hälfte und gemeinsam investierten wir das Geld. Bis zur Premiere dieser gab es viele Wege, Umwege und Auseinandersetzungen, aber letztlich hatten wir eine gute Zeit. Am Ende stand eine spannende und schöne Produktion, doch das Geld war weg.

2009 spielte ich dann in dem Stück Heinrich der VIII von William Shakespeare, produziert von der Theaterensemble Shakespeare und Partner, mit. Eine so schöne und spannende Arbeit, dass wir vom fünfköpfigen Ensemble unbedingt eine weitere Produktion mit den beiden Regisseuren machen wollten. Der Leiter des Ensembles, Norbert Kentrup, unterstützte uns und lieh uns das Geld. Wir gründeten eine eigenständige GbR, produzierten das Stück aber unter dem Label Shakespeare und Partner. Das erste Stück, König Cymbeline von Shakespeare, verkaufte sich jedoch nicht. Dennoch haben wir ein weiteres produziert. Othello und es wurde ein Erfolg. Sebastian Bischoff, Kai Frederic Schrickel und ich bildeten den festen Kern des Ensembles. Wir entwickelten uns weiter, lösten uns zunehmend von dem Label Shakespeare und Partner und gründeten letztlich 2015 das Neue Globe Theater.

Andreas Erfurth (links) in 'Die Streiche des Scapin'; © Philipp Plum / Neues Globe Theater

Was steckt hinter der Idee des „Neue Globe Theater“?

Das Neues Globe Theater steht für die Idee, die Essenz der in Shakespeares Globe Theater im London des 16./17. Jahrhunderts entwickelten Spielweise auf das heutige Theater zu übertragen. So spielen wir in unseren Gastspielorten meistens auf einer Guckkasten-Bühne und realisieren Shakespeares Idee der ungeteilten Szene, indem wir im direkten, unmittelbaren Kontakt zu den Zuschauern, die „vierte Wand“ durchbrechen und die „Lichtgrenze“ zwischen Publikum und Akteuren aufheben. Wir spielen Shakespeares Stücke stets in einer neuen und gut verständlichen Übersetzung, welche den Vers und die Melodie des Originals berücksichtigt. Wir übertragen unsere Globe-Spielweise aber auch immer wieder auf deutschsprachige Autoren, wie z.B. Schiller oder Brecht, und seit 2017 auch auf Josef Hader.

Das Neue Globe Theater reist gerade mit dem aktuellen Stück ‚Indien – eine Schnitzeljagd durch die deutsche Provinz‘ durchs Land – eine Inszenierung, bei der kein Auge trocken bleibt. Hier spielst Du den meinst grummeligen Schnitzeltester Heinz Bösel. Um was geht es in dem Stück?

Das Stück Indien ist eine Tragikomödie von Josef Hader, einem der populärsten Schauspieler und Kabarettisten Österreichs und Alfred Dorfer. In unserer Fassung haben wir die Geschichte auf Brandenburg als Beispiel deutscher Provinzen übertragen. In dem Stück geht es darum, dass die beiden Protagonisten Bösel und Fellner im Auftrag des brandenburgischen Fremdenverkehrsamtes das Hotel- und Gaststättengewerbe rund um Berlin unter die Lupe nehmen sollen. Der eine testet das Kulinarische, eben die Schnitzel, der andere die Einhaltung der Hygienevorschriften und gewerberechtlichen Vorgaben. Hierfür muss er z. B. die nach Din-Norm korrekte Anbringung der Klobürstenhalterungen überprüfen oder sich zu gefährlichen Stolperfallen aufrollender Bodenbeläge anmahnen. Während Herr Bösel Dienst nach Vorschrift macht und im wahrsten Sinne „frisst, was er fressen muss“, ist Herr Fellner sehr ambitioniert und gibt den jeweiligen Wirten gerne Verbesserungsvorschläge. Es ist eigentlich ein Roadmovie. Sie sind drei Monate miteinander unterwegs, testen die Gasstätten und nächtigen irgendwo vor Ort. Eigentlich mögen sie sich nicht, aber im Laufe der Zeit wachsen sie zusammen und entdecken was echte Männerfreundschaft ausmacht: saufen, streiten, sich versöhnen. Irgendwann jedoch hat Fellner Beschwerden an seinem Geschlechtsteil. Es stellt sich heraus, dass er irreparablen Hodenkrebs hat und die Geschichte wechselt vom Gasthaus ins Krankenhaus. Es bleibt „schwarzhumorisch“, aber die Stimmung wechselt hier. Letztlich ist es eine Geschichte einer besonderen Freundschaft von zwei doch sympathischen Unsympathlern, die ihr Ende durch den Krebs, an dem Fellner stirbt, findet. Und dennoch endet das Stück mit Hoffnung. Denn Fellner, als nie dort gewesener, großer Indienfan, glaubt an den Zyklus des Lebens, an die Wiedergeburt. Er stirbt von dem Glauben getragen selbst wiedergeboren zu werden. Eingerahmt wird diese humorvolle Geschichte von live gesungenen Schlagern, die durch die einzelnen Etappen des Stückes führen.

Du warst in zahlreichen Theater- und Fernsehproduktionen (siehe hier) zu sehen. In dieser schon langen Zeit als Schauspieler hast Du sicher einiges erlebt und gesehen. Kannst Du uns von einem besonderen Erlebnis erzählen?

Besonders geprägt hat mich tatsächlich mein erstes Engagement im Theater der Freundschaft. Es war zum einen meine erste Anstellung. Aber insbesondere prägte es mich, weil ich ein Wandler zwischen zwei Welten war, ein Grenzgänger, der diese historische Veränderung hautnah begleiten konnte.

Das zweite sehr prägende Erlebnis hängt mit der Wiedereröffnung des Berliner Ensembles unter der Leitung der 5 Intendanten Peter Palitzsch, Fritz Marquardt, Heiner Müller, Peter Zadek und Matthias Langhoff zusammen. Das Eröffnungsstück, Prinz Perikles von Shakespeare, sollte durch Schauspieler des alten Ensembles, als auch neue Schauspieler sowohl der freien Szene als auch Leien umgesetzt werden. Ich schrieb Peter Palitzsch an, teilte mein Interesse am Mitwirken mit und wurde ins Ensemble einbezogen. Auf mehreren Ebenen sollte hier eine Art Wiedervereinigung gelebt werden. Hier wurde ein großer künstlerischer, sozialer und ideeller Anspruch verfolgt. Die Arbeit in diesem Ensemble war sehr spannend und herausfordernd. Für mich war das eine gute Erfahrung.

Was sind Deine Lieblingsplätze hier in Potsdam oder in Brandenburg und warum sollte man diese unbedingt einmal besuchen?

Der Flatowturm im Park Babelsberg ist einen Besuch wert, da er einen tollen Blick über das alte und neue Potsdam und die Havel bietet. Tatsächlich finde ich aber das Umland spannender. Ich und auch die ganze Familie mögen den Oberuckersee in der Uckermark. Es gibt dort einen besonderen Campingplatz (Camping am Oberuckersee), den wir seit 9 Jahren regelmäßig besuchen. Er ist terrassenförmig angelegt, mitten in der Natur gelegen und fast von jedem Platz aus hat man Blick auf den See und auf die Burgwallinsel. Und auch die Umgebung hat viel zu bieten.

© Kerstin Folk / Camping am Oberuckersee
© Kerstin Folk / Camping am Oberuckersee

Welche Eigenschaften charakterisieren für Dich die typischen Brandenburger*innen?

Die Menschen in Brandenburg öffnen ihr Herz erst auf den zweiten oder eher dritten Blick. Doch wenn man es einmal gewonnen hat, sind sie sehr freigiebig und zuverlässig. Sie sind dann einfach da, ohne Wenn und Aber.

Stelle Dir vor, ich würde Dich zum Essen besuchen. Welches Gericht aus der brandenburgischen Küche würdest Du für mich kochen?

Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl. Ich mag den tranigen Geschmack von Leinöl eigentlich nicht. Aber es gehört hier dazu. Und die Kartoffel, als frühere „Arme-Leute-Essen“ passt einfach zu Brandenburg.

Zum Schluss: Gibt es etwas, dass Du in Deinem Leben gelernt hast und dass Du anderen gerne mitgeben möchtest?

Dass die Welt eine veränderbare ist. Sie kann verändert werden, durch die Natur, durch andere Umstände, aber auch durch die Menschen. Veränderungen können aktiv herbeigeführt und gestaltet werden. Man muss nichts hinnehmen wie es ist.

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